Montpellier
In Frankreich ist eine Stadt wie Montpellier mit ihren etwas über 1.000 Jahren ein Jungspund. Man weiß aber über die eigene Relevanz genau bescheid, die zentrale Lage im Süden, das Mittelmeer, die Rolle als wichtige Verkehrsdrehscheibe und als Hochburg der Bildung, Mitbegründerin wissenschaftlicher Medizin im christlichen Europa, früher Think Tank der Interkulturalität sind Gründe genug für selbstbewusstes Auftreten, herrschaftliche Architektur, Brunnen, Prachtstraßen und ausladende Plätze.
Seit dem frühen 13. Jahrhundert besitzt Montpellier Stadtrechte, noch vor der Jahrtausendwende aber sollen jüdische, christliche und muslimische Gelehrte hier miteinander gearbeitet haben. Man weiß heute, dass mit dem Ende der großen römischen Reiche und der vollkommenen Durchsetzung des Christentums in weiten Teilen Europas die Bindung zum eigenen geistigen Erbe verlorenging. Wo ausschließlich die Bibel gepredigt wird, werden Krankheiten halt weniger geheilt als weggebetet und auch das Wissen um die großen Philosophen des Vorchristentums wäre wohl verloren, wenn es nicht im arabischen Raum eine große Tradition der Lehre, der Wissensbewahrung und –vermittlung gegeben hätte.
Dieser arabische Raum erstreckte sich lange Zeit bis nach Sizilien und auf die iberische Halbinsel. Im elften und zwölften Jahrhundert begann man dann im heutigen Spanien und in Süditalien die nun arabischen Texte ins Lateinische zu übertragen und ein wichtiger Ort dieses neu entstehenden Forscherdrangs war kurz darauf Montpellier.
Medizin, die hier vor allen Dingen boomte, war aber auch wichtig. Es waren kriegerische Zeiten, es gab Kreuzzüge, konfessionelle Auseinandersetzungen, Machtfragen wurden neu gestellt, der Jacobsweg, von dem ein Teil durch Montpellier über eine alte Römerstraße führt, war ein relativ junges Phänomen des Willens, Europa einmal komplett in christliche Hand zu bekommen und Montpellier wuchs an diesem Projekt. Heute leben und forschen 80.000 Studenten an einer dreigeteilten Hochschule an diesem Ort.
Wer sich an Architektonischem erfreut, bekommt hier in Montpellier zahlreiche außergewöhnliche Schmankerl: der Aqueduc de Saint-Clément ist ein Hingucker, die St.-Pierre-Kathedrale ist ein mächtiger Bau, die alte medizinische Fakultät ist in unmittelbarer Nähe, im Tour de la Babote ist ein astronomisches Observatorium angesiedelt, die Oper ist ein erstaunlicher Bau, ebenso das Quartier Antigone, mit dem der Architekt Ricardo Bofill aus Barcelona in den 1970er Jahren seinen Weltruf mitbegründete.
Für Naturfreunde hat das Museum Agropolis eine sehr ungewöhnliche Perspektive, es geht um die Entwicklung der Nahrungsmittel von den frühen Menschen über die Sesshaftigkeit bis heute, sehr schön ist auch das Amazonashaus La Serre Amazonienne, Montpellier hat einen riesigen Zoo und etwas außerhalb liegt das Einkaufs- und Vergnügungsviertel Odysseum, dessen Errichtung 1998 begann.
Kunstfreunde kommen wegen des Musée Fabre nach Montpellier, ein großes, bedeutendes, von dem Maler François-Xavier-Pascal Fabre, einem Sohn der Stadt, im 19. Jahrhundert gegründetes Museum, das im ersten Jahrzehnt des aktuellen Jahrtausends aufwändig restauriert wurde.